Lutz Koch: Der mitteldevonische Massenkalk im Hagener Raum

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Als auffälligste geologische Erscheinung am Nordrand des rechtsrheinischen Schiefergebirges gilt der langgestreckte Massenkalkzug, der im Neandertal bei Düsseldorf beginnt und sich über Wuppertal, Schwelm, Hagen und Iserlohn bis nach Balve ausdehnt, zudem im Raum Warstein wieder auftaucht.

Da auf den widerstandsfähigen Massenkalk die Erosion weniger wirkt als auf die schiefrigen Sedimente des Mitteldevon (Lenneschiefer) im Liegenden und den oberdevonischen Schiefer im Hangenden, entstanden bemerkenswerte landschaftliche Akzente: Während der Kalkstein bei flacher Lagerung verebnet wurde und Hochflächen entstanden, bildeten sich in Gebieten mit steiler Lagerung kegelige Berge mit stark abfallenden Hängen. Beispiele erhöhten Widerstandes gegenüber der mechanischen Verwitterung geben die beiden Massenkalk-Klippen "Pater und Nonne" bei Letmathe und der "Weißenstein" bei Hohenlimburg. Besonders reizvoll ist jener Teil des Hönnetals nördlich von Balve, in dem Massenkalkwände auf beiden Seiten des Flusses einen Cañon bilden.

Als weitere Besonderheit sind die vielfältigen Karsterscheinungen im Massenkalkgebiet zu nennen, die durch Anlösen des Gesteins und gleichzeitige unterirdische Entwässerung entstanden: Dolinen, Trockentäler, Bachschwinden und umfangreiche Höhlensysteme.



Massenkalk-Klippe im Hönnetal
 
(Aufnahme: 1989)

Da sich der Massenkalk bei Erdbewegungen recht starr und spröde verhielt, entstand ein reich entwickeltes Kluftnetz, das zirkulierenden mineralischen Lösungen vielfältige Wege bot. Häufig beobachtet man eine Dolomitisierung, stellenweise sind große Kalksteinkörper gänzlich in Dolomit umgewandelt worden. Vereinzelt entstanden auch ausgedehnte Erzlagerstätten, so in Schwelm. Diese Vorkommen führten vom Mittelalter bis ins 20. Jahrhundert zu einem intensiven Erzbergbau. Der letzte Tagebau stellte 1922 den Betrieb ein.


Die "Roten Berge" in Schwelm. 
Überreste des alten Bergbaus und klassische Fundstelle für 
Fossilien aus dem Schwelmer Kalk bis 1960.
Ausschnitt aus einer kolorierten Umrisszeichnung von 
Johann Heinrich Bleuler, um 1810.

Erste Beachtung in der Geologie fanden der langgestreckte Massenkalkzug des rechtsrheinischen Schiefergebirges wie auch die übrigen devonischen Kalkgesteine im 19. Jahrhundert und wurden von Anfang an als Riffbildungen des Erdaltertums angesehen.

Entstanden sind die devonischen Riffe vor 384 Mill. Jahren in einer Flachwasserzone (Schelfmeer) vor der Küste. Im Vergleich mit den Lebensbedingungen heutiger Riffkorallen gilt es als wahrscheinlich, dass sich die Riffbildung in einer Tiefe von 25 bis 50 m, in sauerstoffreichem, gut durchlichtetem Wasser, bei einer Temperatur von ca. 25° C vollzog. Ein bestimmter Salzgehalt des Wassers war Voraussetzung, da Süßwasser Korallen absterben lässt und sie schon in geringer Konzentration, das heißt auch in weiterer Entfernung von Flussmündungen auflöst.

Die Ablagerungen des Massenkalks im Bereich Schwelm-Hagen-Iserlohn (sog. Schwelmer Kalk) stammen aus der Anfangszeit des Riffwachstums. Die gleichbleibende Ausbildung des Sediments weist auf ein geringes Relief während der Ablagerungszeit hin (Riffplattform). Riffplattformen entstanden vornehmlich an der dem Land zugewandten Seite des Riffs (Rückriff) im Bereich einer Lagune. Daher wird der Schwelmer Kalk auch als "lagunärer Massenkalk" bezeichnet.


Zeichnung: C. Brauckmann (aus Koch 1984).

Der Massenkalk ist reich an Fossilien, da die Riffe den unterschiedlichsten Lebewesen Raum boten: Riffbildner waren hauptsächlich Korallenkolonien, Stromatoporen (schwammartige koloniebildende Organismen) und Schwämme. Die Oberfläche der Riffplattformen hatten ästige Stromatoporen und verzweigte Korallen besetzt. In den zahlreichen Spalten und Rissen sowie auf dem Grund der Lagune siedelten großwüchsige Brachiopoden (Armfüßer), Muscheln und Schnecken. Freischwimmend bewegten sich Cephalopoden (Kopffüßer) und Fische im Riffbereich.

Die Bearbeitung der Fossilien reicht zurück bis in die erste Erforschung der Riffbildungen. Zahlreiche Formen wurden aber erst später entdeckt und somit bei den ersten Bearbeitungen nicht erfasst. Da lange Zeit keine neuen wissenschaftlichen Bearbeitungen erfolgten, konnten zahlreiche Arten nicht zugeordnet werden und galten als "unbestimmbar". Für die reiche Schnecken-Fauna wurden erst kürzlich Revisionen vorgelegt mit zahlreichen neuen Gattungen und Arten (siehe Bibliographie).


Verästelte tabulate Koralle
Thamnopora sp.
Fundort: Hohenlimburg
Sammlung L. Koch
-


Brachiopode
Stringocephalus
sp.
Defrance

Fundort: Schwelm
Aufbewahrung: Museum Haus Martfeld, Schwelm
-


Schnecke
Bensbergia arculata
(
von Schlotheim)
Fundort: Schwelm
Aufbewahrung: Museum Haus Martfeld, Schwelm


Muschel
Megalodon cucullatus
Sowerby
Fundort: Hohenlimburg
Sammlung L. Koch


Kleinschnecken 
der Gattungen Murchisonia und Nodeuomphalus
vom Fundort Schwelm
Aufbewahrung: Museum Haus Martfeld, Schwelm


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© Text und Fotos: Lutz Koch (letzte Aktualisierung: 17.05.2006)