Lutz Koch: Die ältesten Fossilien Westfalens

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Im zentralen Ebbe-Sattel, wie geologisch der Untergrund des Ebbe-Gebietes genannt wird, gehören die ältesten dort aufgeschlossenen Schichten ins Ordovizium und werden auch als Herscheid-Gruppe bezeichnet. Die Schichtfolge beginnt im Liegenden mit dem Plettenberg-Bänderschiefer (Unteres Llanvirn), es folgt der Kiesbert-Tonschiefer (Unteres Llanvirn) sowie der Rahlenberg-Grauwackenschiefer und der Solingen-Tonschiefer, die zum jüngeren Ordovizium (Caradoc) gehören. Vergleichbar alte Ablagerungen finden sich im gesamten rechtsrheinischen Schiefergebirge noch im Remscheider Sattel bei Solingen (Llanvirn und jüngeres Ordovizium) und im südlichen Taunus ).

Die in den ordovizischen Gesteinen des Ebbe-Gebirges, die zwischen Herscheid und Plettenberg aufgeschlossen sind, finden sich nicht nur die ältesten Fossilien Westfalens, sondern sie sind auch einmalig für Deutschland. Durch die gerade in den letzten Jahren erneut auflebende paläontologische Forschung konnte das Fossilspektrum erheblich erweitert, neue Faunenelemente nachgewiesen und durch die Analyse von Mikrofossilien der Altersnachweis abgesichert werden. Die zahlreichen Publikationen seit 1990 dokumentieren die intensiven Forschungsaktivitäten.

Der erste Nachweis ordovizischer Ablagerungen gelangen Rudolf und Emma Richter im Jahre 1937 durch Funde ordovizischer Trilobiten am Rahlenberg bei Herscheid. Diese Befunde wurden durch die Analyse von Graptolithen und Mikrofossilien (Acritarchen und Chitinozoen), insbesondere auch durch neueste Untersuchungen, bestätigt (siehe Bibliographie).

Die Gemeinde Herscheid mit dem Rahlenberg.
Hier wurde 1937 durch Graptolithen- und Trilobitenfunde der erste Nachweis für
ordovizische Schichten im Ebbe-Sattel geführt.
(Ansichtskarte aus dem Jahre 1937)

Weitere ordovizische Faunen konnten insbesondere zwischen 1950 und 1970 in der Grube der Ziegelei Loos und am Hechmecker Weg in Plettenberg geborgen werden, während in den letzten Jahren ein Aufschluss nördlich Kiesbert im Mittelpunkt paläontologischer Forschungen stand und zur reichhaltigsten Fundstelle im Ordovizium des Ebbe-Sattels avancieren konnte.

Die ordovizischen Schichten des Ebbe-Sattels entstanden mit den Vorkommen in Großbritannien, Nordfrankreich, Belgien, Hessen, Thüringen und Böhmen in einem Ablagerungsraum, der sich vor ca. 470 Millionen Jahren in einem Meeresgebiet (offener Schelfbereich) vor dem Südkontinent Gondwana befand und seine Lage bei etwa 70° südlicher Breite hatte. Dies entspricht dem heutigen Nordrand der Antarktis. Damals war das Zufuhrgebiet eisfrei, flach und wüstenähnlich. Die Sedimentschüttung in das Ablagerungsbecken war gering. Das zeitweilige Auftreten von Staub- und Sandstürmen lässt sich anhand der dünnen Sandbänder im Plettenberger Bänderschiefer nachweisen. Insgesamt muss das Schelfmeer lebensfeindlich gewesen sein; zumindest hatten erhaltungsfähige Organismen mit kalkigem oder chitinösem Skelett keine günstigen Lebensbedingungen. Der hohe Schwefelgehalt des Schiefers zeigt, dass reichlich vorhandene organische Substanzen - wahrscheinlich Algen - durch Bakterien aufgearbeitet wurden; hierdurch entstand ein schlammiges Sedimentationsmilieu mit stagnierenden und sauerstoffarmen Bedingungen.

Dennoch zeigen die Grabungen der letzten Jahre im Unteren Tonschiefer von Kiesbert, die vom Verfasser durchgeführt und zusammen mit verschiedenen anderen Bearbeitern (siehe Bibliographie) ausgewertet wurden, eine zwar individuenarme, insgesamt kleinwüchsige, aber doch artenreiche Fauna. Bei der Rekonstruktion des Lebensraumes aufgrund der vorkommenden Organismen wird deutlich, dass alle Lebensbereiche vom feinkörnigen Schlammgrund über den Meeresboden bis hin zum offenen Meer bei Wassertiefen bis zu 200 Metern von den unterschiedlichsten Lebewesen bewohnt waren.


Die Fauna des Unteren Ordovizium im Ebbe-Sattel
Lebensbildrekonstruktion
a. Kotpillenschnur Tomaculum. b. Fraßspur Chondrites. c. Brachiopode.
d. Conularie. e.-k. Trilobiten aus verschiedenen Lebensräumen.
m. Ostrakoden. n. Phyllocaride. o. Graptolithen-Kolonie.
© Zeichnung: Lutz Koch.

Einige Lebewesen ohne erhaltungsfähige Hartteile sind als sog. Spurenfossilien nachgewiesen, die Lebenspuren im Sediment oder auf dem Meeresboden hinterließen.
Der Meeresgrund insgesamt war nur spärlich besiedelt. Vereinzelt kamen Brachiopoden (Armfüßer), Conularien sowie bodenbewohnende Trilobiten vor. Zahlreicher sind im Meer treibende, sich rudernd fortbewegende und frei schwimmende Tiere: Graptholiten, Trilobiten, Ostrakoden (Muschelkrebse) und Phyllocariden (Höhere Krebse). Weitere Lebewesen, die frei im Meer schwebten, gehören zum sog. Nanno-Plankton, d.h. sie sind nur 10-50 µm groß und nur unter starker Vergrößerung mit dem Mikroskop wahrzunehmen. Es handelt sich insbesondere um Acritarchen, winzige Gebilde von kugelförmiger Gestalt, die als Zysten verschiedener planktischer Organismen angesehen werden. Auch diese Fossilien haben eine besondere stratigraphische Bedeutung, da mit ihnen und den genannten Graptolithen die stratigraphische Gliederung der ordovizischen Schichtenfolge vorgenommen werden konnte.

Fossilien aus dem Ordovizium des Ebbe-Sattels


Kotpillenschnur
Tomaculum problematicum
Groom 1902.
Fundort: Kiesbert.
Aufbewahrung: Geol. Institut
der Universität Göttingen
- Sammlung Koch -

 

Graptolith 
Didymograptus
cf. artus
Elles & Wood 1901.
Fundort: Kiesbert.
Aufbewahrung: Geol. Institut
der Universität Göttingen
- Sammlung Koch -

Trilobit
Corrugatagnostus magnodosus
Koch & Lemke 1997.
Fundort: Kiesbert.
Aufbewahrung: Westf. Museum für 
Naturkunde Münster
- Sammlung Koch -

Trilobit
Eoharpes primus herscheidensis
Koch & Lemke 1995.
Fundort: Kiesbert.
Aufbewahrung: Geol. Institut 
der Universität Göttingen
- Sammlung Lemke -

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© Text und Fotos: Lutz Koch (letzte Aktualisierung: 17.05.2006)