aus: Beiträge zur Heimatkunde der Stadt Schwelm und ihrer Umgebung, Neue Folge, 52 (2003): 7-27, Abb. 1-16, Tab. 1; Schwelm. 
(verändert)
 


Geologisch-paläontologische Untersuchungen am Zuckerberg in Ennepetal (Givetium, nordwestliches Sauerland)

Lutz Koch und Ulrich Lemke


Einleitung

Östlich von Schwelm, auf Ennepetaler Stadtgebiet zwischen Büttenberg und Oelkinghausen, stehen am Nordhang des Zuckerberges (290 m NN) in einem alten fast völlig verfallenen bzw. überwachsenen Steinbruch mitteldevonische Sedimente der Honsel-Formation an, die stellenweise fossilreich sind. Vom Arbeitskreis Kluterthöhle durchgeführte Grabungen auf der Suche nach vermuteten Hohlräumen im Kalkstein der Schichtfolge lieferten frisches Gesteinsmaterial, das auf seine Fossilführung untersucht wurde. Darüber hinaus wurden auch die anstehenden Gesteine im Liegenden (bis zur Eisenbahnstrecke) und im Hangenden (Waldgebiet oberhalb des Aufschlusses) beprobt, so dass ein geologisches Gesamtprofil des Zuckerberges erstellt werden konnte. Die Erkenntnisse werden ergänzt durch Ergebnisse niedergebrachter Bohrungen im Rahmen der Planung der Bundesstraße 7e, die parallel zur Eisenbahnstrecke längs des Zuckerberges verlaufen sollte1.

freigelegtes Profil

Alter Steinbruch am Nordhang des Zuckerberges.

Die Schichtfolge

Auf der Geologischen Karte von Nordrhein-Westfalen 1: 25 000 (Blatt 4709 Barmen) wurde die Fundstelle von Paeckelmann in Fuchs & Paeckelmann (1979) als zu den „Oberen Honseler Schichten" gehörend kartiert sowie der ehemalige Steinbruch als Fossilfundpunkt2 ausgewiesen. Aufgrund des häufigen Vorkommens der Trilobiten-Art Dechenella burmeisteri, des Nachweises der Brachiopoden Undispirifer sp. und Crurithyris inflata sowie des Ostracoden Bairdiocypris sp. kann diese Einstufung vorbehaltlich bestätigt werden. Das Auffinden von Spinocyrtia (Carpinaria) ascendens spricht für Honsel-Formation in ihrer Gesamtheit. Andererseits enthält aber die Schichtfolge auch Formen, die typisch sind für Unteres Mitteldevon (Eifelium): z. B. Cyrtina heteroclita, Helaspis plexa und Dicamara cf. plebeja. Einige weitere zur Altersbestimmung geeignete Brachiopoden wie Atrypiden3 sind nicht ausreichend gut erhalten, um sie eindeutig auf Art- bzw. Unterart-Ebene bestimmen zu können. Schließlich blieben durchgeführte Conodonten4-Untersuchungen ohne entsprechende Nachweise.

Der Kalksteinhorizont am Zuckerberg ist Bestandteil der Ennepetaler Plateau-Riffe, die aus zwei ca. 10-12 Meter mächtigen Kalklinsen bestehen, unterbrochen von tonig-sandigen Sedimenten. Diese Kalksteinlagen finden sich am Klutertberg (Koch 1992), im Heilenbecker Tal an der Wassermaus, auf der Hardt, am Timpen, an der Kahlenbecke, im Hembecker Tal sowie am Zuckerberg. Auch bei dem 1500 Meter südwestlich des Zuckerberges gelegenen Eisenbahneinschnitt bei Martfeld handelt es sich um Gesteine der Oberhonsel-Formation, die hier direkten Kontakt zum Schwelmer Massenkalk im Hangenden besitzen.

Die von May (1986: 33) neu definierte Honsel-Formation (vgl. auch Weddige 1996: 281) besteht überwiegend aus grauen Feinsandsteinen. In die sandsteinreiche Schichtenfolge sind siltig-tonige Lagen sowie Korallenkalke eingeschaltet. Während die Unterhonsel- Formation zudem noch Rotschiefer-Horizonte enthält, ist die Oberhonsel-Formation frei von Rotschiefer-Einlagerungen.

Über die Schwierigkeit, lokal begrenzte Korallenkalk-Horizonte stratigraphisch miteinander zu vergleichen, berichtet May (1986: 43). So kann auch nichts darüber ausgesagt werden, ob die Ennepetaler Kalklinsen z. B. mit den Kalk-Horizonten im Blattbereich Iserlohn parallelisiert werden können.

Entstanden ist die Schichtenfolge vor ca. 380 Millionen Jahren in einem flachen Meer auf dem inneren Schelf des Old-Red-Kontinentes in bewegtem Wasser bei einer Tiefe von nur wenigen Metern. Die Sandschüttungen kamen aus einem nördlich gelegenen Delta, von wo aus auch zahlreiche Pflanzenreste in den Schelf befördert wurden. 

Abb. 1: Paläogeographische Rekonstruktion des Rheinischen Schelfs zur Zeit des Mitteldevon. Die Küstenlinie liegt bei etwa 10° bis 20° südlicher Paläobreite (aus Koch 1992, nach Langenstrassen 1982).

Die am Zuckerberg aufgeschlossenen Sedimente enthalten vom Liegenden (Eisenbahnstrecke) zum Hangenden (Wald oberhalb des Steinbruchs) folgende Schichtglieder:


[280 m NN »Wald«]

Obere Siltsteinfolge: 10 m sehr harter ungeschichteter graubrauner grober Sandstein mit eingelagerten braunen mulmig verwitternden Siltstein-Lagen mit z. T. lagenweise angereicherten Fossilien.
Tonkalkstein: 0,2 m harter blaugrauer sandig-toniger Kalkstein (ohne Riffbildner), teilweise Kalkknollen.
Obere Sandsteinfolge: 4 m feinkörniger grau-blauer bis grau-grüner bankig-plattiger Feinsandstein, der mehr oder weniger kalkhaltig sein kann und gelegentlich gut konservierte Fossilien enthält.
Obere Kalksteinfolge:
8 m dunkler, harter blauschwarzer fossilreicher Kalkstein mit Rifffauna.
Untere Sandsteinsteinfolge:
20 m feinkörniger grauer bis brauner bankig-plattiger Feinsandstein, teilweise mit laminierter Schichtung, nach oben zunehmend kalkhaltig.
Untere Siltsteinfolge: 20 m grober Sandstein und graubrauner sandiger Tonstein sowie brauner mulmig verwitternder Siltstein mit z. T. lagenweise angereicherten Fossilien.

[220 m NN »Eisenbahnstrecke«]

Bei einer in einer Höhe von 229 m NN durchgeführten Bohrung5 unterhalb des Steinbruchs setzt sich die Siltsteinfolge fort und geht bei – 10,40 m in eine Wechsellagerung von Sandstein und unreinem Kalkstein über. Sie erreicht bei einer Teufe von – 15,30 m die Untere Kalksteinfolge (Korallenkalk).


[229 m NN »Bohrung«]

± 0 m       --   Humus.
– 0,25 m  --  Untere Siltsteinfolge: Ton, Schluff und stark verwitterter  
                       Sandstein.
–10,40 m  --  sandig-toniger Kalkstein.
–10,80 m  --  Wechsellagerung von Kalk- und Sandstein.
–15,30 m  --  Untere Kalksteinfolge: Korallenkalk.

Diese Abfolge mit den beschriebenen Sedimenttypen spiegelt die unterschiedlichen Faziesbereiche während der Honsel-Zeit wider, die von Çinar (1978) auch für die Honsel-Formation in der Lüdenscheider Mulde festgestellt wurden. Demnach sorgt eine lang anhaltende sedimentologische und paläogeographische Entwicklung mit rhythmisch wechselnden Ablagerungsbedingungen für das Entstehen und Absterben der Kleinriffe: Zunächst wird das tonig-siltige Substrat besonders von Bryozoen und Brachiopoden besiedelt. Danach folgen sich flach ausbreitende Bödenkorallen. Damit ist die Grundlage für die Siedlung von Riffbildnern (Korallen und Stromatoporen) geschaffen.

Die geringe Mächtigkeit der Ennepetaler Kalksteinhorizonte und die sandig-tonigen Zwischenlagen zeigen, dass das Riffwachstum immer wieder durch Schüttungen von Norden gestört und nach einem relativ kurzen Zeitraum wieder beendet wurde. Am Zuckerberg-Steinbruch ist die obere Kalklinse aufgeschlossen, und selbst die unterschiedlichen Sedimente im Hangenden, die das einstige Riff erstickten, zeigen einen häufigen Fazieswechsel mit sich rasch ändernden Lebensbedingungen.

Mächtigkeit

Gestein

Fossilführung

ca. 10 Meter

harter ungeschichteter graubrauner grober Sandstein mit eingelagerten braunen mulmig verwitternden Siltsteinen

 

Fauna z. T. aus Lesesteinen
Pflanzen:
unbestimmbare Pflanzenreste
Ichnofossilien:
Chondrites sp.
Crinoiden (Seelilien):
Stielglieder
Rugose Korallen:
Heliophyllum sp.
Tabulate Korallen (Bödenkorallen):
Favosites sp., Heliolites sp.
Bryozoen (Moostierchen):
Fenestella sp.
Brachiopoden (Armfüßer):
Spinatrypa aspera (Schlotheim 1813), Spinocyrtia (Carpinaria) ascendens (Spriestersbach 1935), Cyrtina heteroclita (Defrance 1828), Undispirifer sp., ?Subcuspidella sp., Athyris sp., Dicamara cf. plebeja (Sowerby in Sedgwick & Murchison 1840), Helaspis plexa (Wolfart 1956)
Gastropoden (Schnecken):
Straparollus sp., Loxonema sp., Platyceras sp.
Muscheln:
Ptychopteria (Actinopteria) reticulata (Goldfuss), Leptodesma wupperana Herm. Schmidt 1909
Hyolithen:
"Theca" sp.
Cephalopoden (Kopffüßer):
"Orthoceras" sp., Rutoceras sp.
Ostracoden (Muschelkrebse):
indet.
Trilobiten:
Dechenella burmeisteri Rud. Richter 1909

ca. 0,2 Meter

blaugrauer sandiger Kalkstein

Brachiopoden (Armfüßer): Crurithyris inflata (Schnur 1853)
Tentaculiten:
indet.
Trilobiten:
Dechenella sp.
nicht näher bestimmbare Kleinfauna

ca. 4 Meter

feinkörniger grau-blauer bis grau-grüner bankig-plattiger Feinsandstein, teilweise kalkhaltig

Pflanzen: Asteroxylon elberfeldense Kräusel & Weyland 1926, Aneurophyton germanicum Kräusel & Weyland 1923, Protopteridium thomsonii Kräusel & Weyland 1932
Ichnofossilien: Chondrites sp., Grabspuren indet., Fraßspuren in Holzresten
Anneliden (Ringelwürmer): Spirorbis sp.
Bryozoen (Moostierchen):
Hederella sp.
Brachiopoden (Armfüßer):
Lingula sp. aff. brevis Fuchs in Spriestersbach & Fuchs 1909, Stringocephalus (Stringocephalus) sp., Retichonetes crenulatus (F. Roemer 1844), Crurithyris inflata (Schnur 1853)
Muscheln:
Ptychopteria (Actinopteria) reticulata (Goldfuss), Leptodesma wupperana Herm. Schmidt 1909, Allorisma sp. aff. westfalica (Spriestersbach 1917), Sphenotus sp., Pteronites solenoides Herm. Schmidt 1909
Hyolithen
: "Theca" sp.
Cephalopoden (Kopffüßer):
"Gomphoceras" sp.

Trilobiten:
Dechenella burmeisteri Rud. Richter 1909

ca. 8 Meter

dunkler, harter Riffkalkstein

Stromatoporen: Actinostroma sp.
Rugose Korallen: Acanthophyllum sp., Disphyllum caespitosum (Goldfuss 1826) 
Tabulate Korallen (Bödenkorallen):
Thamnopora sp., Favosites sp, Coenites sp.
Crinoiden (Seelilien):
Stielglieder 
Brachiopoden (Armfüßer): Crurithyris inflata (Schnur 1853), Spinatrypa aspera (Schlotheim 1813), Spiriferida (Reticulariacea indet., Spiriferacea indet.)
Muscheln: Pterineidae indet.
Ostracoden (Muschelkrebse): Bairdiocypris sp.

ca. 20 Meter

feinkörniger grauer bis brauner bankig-plattiger Feinsandstein, teilweise mit laminierter Schichtung, nach oben zunehmend kalkhaltig

Fauna aus Lesesteinen
Pflanzen:
unbestimmbare Pflanzenreste
Ichnofossilien:
Röhren- und Spreitenbauten
Brachiopoden (Armfüßer):
Stringocephalus (Stringocephalus) sp., Retichonetes crenulatus (F. Roemer 1844), Allorisma sp. aff. westfalica (Spriestersbach 1917) 
Trilobiten:
Dechenella burmeisteri Rud. Richter 1909

ca. 20 Meter

grober Sandstein und graubrauner sandiger Tonstein mit eingelagerten braunen mulmig verwitternden Siltsteinen

Fauna aus Lesesteinen
Pflanzen:
unbestimmbare Pflanzenreste
Ichnofossilien:
Chondrites sp.
Crinoiden (Seelilien):
Stielglieder
Rugose Korallen:
Heliophyllum sp.
Brachiopoden (Armfüßer):
Spinatrypa aspera (Schlotheim 1813), Spinocyrtia (Carpinaria) ascendens (Spriestersbach 1935), ?Subcuspidella sp., Helaspis plexa (Wolfart 1956)
Gastropoden (Schnecken):
Straparollus sp.
Muscheln:
Ptychopteria (Actinopteria) reticulata (Goldfuss)
Cephalopoden (Kopffüßer):
"Orthoceras" sp.
Trilobiten:
Dechenella burmeisteri Rud. Richter 1909

Tab. 1: Schichtfolge am Zuckerberg.


Fossilführung

Landpflanzen
Da der Küstenverlauf des Nordkontinents während des Mitteldevon nicht einheitlich war, bildeten sich, bedingt durch unterschiedliche Wasserstände und ein periodisches Vordringen und Zurückweichen des Meeres, vor der Küste Wattzonen, Überflutungsbereiche und Flussdeltaräume mit teils marinen, teils limnisch-brackischen, teils festländischen Bedingungen. Verbunden mit einem durch Äquatornähe gleichmäßig warmen Klima boten diese Gebiete günstige Voraussetzungen für die Entwicklung erster Landpflanzen, gewissermaßen für den Schritt der Pflanzen vom Wasser aufs Land.

Die Landpflanzen des Mitteldevon waren einerseits sog. Psilophyten (Nacktpflanzen); das sind blattlose Pflanzen, die auf eine zeitweilige Überflutung ihres Lebensraumes noch nicht verzichten konnten. Weitere Gruppen werden als Vorläufer der Farne, Schachtelhalme und Bärlappgewächse gedeutet. Eine dritte Gruppe wird als Prospermatophyta bezeichnet; diese fassen Formen zusammen, die sich zwar meist noch durch Sporen fortgepflanzt haben, aber bereits durch ihren Holzbau zu den Samenpflanzen überleiten. Sie besaßen kleine gegabelte Blättchen in größeren Wedeln; teilweise waren sie baumförmig und verästelt. Die Prospermatophyta werden als unmittelbare Ahnen der Samenpflanzen angesehen.

Bei den in den Gesteinen am Zuckerberg auftretenden Pflanzenresten handelt es sich z. T. um durch den Transport im bewegten Wasser zerriebene Pflanzenteile (Häcksel), häufig in Lagen angereichert. Im feinkörnigen Sandstein finden sich daneben gegabelte Achsen von Psilophyten, z. B. Asteroxylon elberfeldense Kräusel & Weyland 1926, aber auch Sprosse von Aneurophyton germanicum Kräusel & Weyland 1923 und Protopteridium thomsonii Kräusel & Weyland 1932, bei denen auch Zweigabschnitte mit kleinen spreitigen Blättchen (Abb. 2a) und ansitzenden Sporangienträgern (Abb. 2b-c) erhalten sind.

Während Asteroxylon elberfeldense im Schwemmland des nördlich gelegenen Flussdeltas gesiedelt haben dürfte, da es auf Überflutungsperioden angewiesen war, stammen die anderen nachgewiesenen Formen aus trockeneren Uferbereichen der Küstenebene.

 

 

 

 

 


Abb. 2: Sprosse früher Landpflanzen (Vorläufer der Samenpflanzen).
a.-b. Aneurophyton germanicum Kräusel & Weyland 1923; 
Wedelabschnitte mit spreitigen Blättchen, 
a. Bildhöhe: 50 mm. 
b. Bildbreite: 30 mm. 

   

c. Aneurophyton germanicum Kräusel & Weyland 1923; Wedelabschnitt mit Sporangienträgern (rechts), 
Bildbreite: 15 mm. 

d. Protopteridium thomsonii Kräusel & Weyland 1932; eingekrümmtes Wedelende mit Sporangienträgern, Bildbreite: 15 mm.

Korallen und Stromatoporen
Bei längerfristig ausbleibenden Sand- und Schlammschüttungen bildeten sich zur Honsel-Zeit im flachen Schelfmeer örtlich Korallenriffe aus (siehe oben). Die Riffbildung vollzog sich in sauerstoffreichem, gut durchlichtetem Wasser bei einer Temperatur von 25°C. Ein bestimmter Salzgehalt des Wassers war Voraussetzung, da Korallen im Süßwasser absterben und sich Korallenriffe schon in weiterer Entfernung vor Flussmündungen auflösen.

Bei den in der Honsel-Formation vorkommenden Riffen, die meist lokal begrenzt waren und eine Ausdehnung von mehreren hundert Metern bis zu wenigen Kilometern hatten, handelt es sich um Plateau-Riffe, d. h. geringmächtige Riff-Platten, die nur eine vergleichsweise kurze Lebensdauer besaßen, da schon bald nach ihrer Entstehung ihr Wachstum durch Sedimentschüttungen beendet wurde. Bildner der Plateau-Riffe waren hauptsächlich Stromatoporen und Korallenkolonien; die Riffoberfläche hatten ästige Korallen und Bödenkorallen besetzt.

Stromatoporen sind wahrscheinlich zu den Schwämmen gehörende Lebewesen mit schichtiger Skelettstruktur (Abb. 3a). Es kommen ausschließlich koloniale Formen mit massiven, knolligen, kugeligen oder ästigen Stöcken vor. Während die Stromatoporen in der Kreidezeit ausstarben, reichen die Korallen bis in die Gegenwart. Man unterscheidet als wichtigste Ordnungen der im Devon vorkommenden Ordnungen die Runzelkorallen (Rugosa) (Abb. 3b-c) und die Bödenkorallen (Tabulata) (Abb. 3d-e). Rugose Korallen finden sich als Einzelkorallen und Koloniebildner, während Bödenkorallen nur als Koloniekorallen auftreten.

   
      

Abb. 3: a. Stromatopore Actinostroma sp. mit schichtiger Skelettstruktur, Bildbreite: 50 mm.
b.-c. Rugose Korallen. 
b. Herausgewitterte Septen der Einzelkoralle Acanthophyllum sp., Durchmesser: 25 mm. 
c. Einzelkoralle Heliophyllum sp., Länge: 15 mm.
d.-e. Tabulate Korallen. 
d. Thamnopora sp., Bildbreite: 15 mm. 
e. Favosites sp., Bildbreite: 20 mm.

Moostierchen
Die Gruppe der Bryozoen (Moostierchen) lebt auch heute noch. Es sind sessile, in Kolonien organisierte Strudler, deren einzelne Individuen jedes für sich ein gelatinöses oder festes Gehäuse aus Chitin bilden, z. T. zusätzlich mit Kalk. Erst durch ihre Koloniebildung werden Bryozoen zu auffallenden Organismen. Sie sind am Meersboden aufgewachsen oder bilden einen festen Überzug auf Steinen, Pflanzenresten, Muschelschalen oder Krebspanzern. Im Mitteldevon sind u. a. die Gattungen Fenestella und Hederella weit verbreitet und kommen auch am Zuckerberg vor. Fenestella-Kolonien gleichen bei vollständiger Erhaltung trichterförmigen Sieben (s. Abb. 4b), während Hederella eine verästelte Wuchsform besaß (Abb. 4a). Moostierchen bevorzugten tonreiche bis feinkörnig sandige Sedimente, kamen aber auch in Gesellschaft von Korallenrasen oder Vorriff-Gebieten vor.

   

 

 

 



Abb. 4: Moostierchen. 
a. Ästige Bryozoe Hederella sp., auf eine Schale aufgewachsen, Höhe: 10 mm. 
b. Moostierchen-Kolonie Fenestella sp., Durchmesser: 20 mm.

Brachiopoden
Brachiopoden (Armfüßer) besaßen im Erdaltertum große Bedeutung, kommen aber, allerdings in geringer Zahl, auch heute noch in verschiedenen Meeresbereichen vor.

Die bekannteste heute noch lebende Form ist Lingula, eine Gattung, deren Morphologie seit fünfhundert Millionen Jahren nahezu unverändert geblieben ist. Linguliden gelten daher als „lebende Fossilien". Sie gehören zu den inartikulaten (schlosslosen) Brachiopoden, bei denen die beiden Klappen lediglich durch Muskeln zusammen gehalten werden im Gegensatz zu den artikulaten (schlosstragenden) Brachiopoden, zu denen die meisten Formen zählen. Auch am Zuckerberg konnte die hornig-kalkige Schale einer Lingula (Abb. 5a) geborgen werden.

Oft werden Brachiopoden mit den Muscheln verwechselt, da beide Tiergruppen über zwei Klappen verfügen. Während jedoch die Klappen der Muscheln meist gleich sind und spiegelbildlich zueinander liegen, besitzen Armfüßer zwei unterschiedliche Klappen: eine kleinere Armklappe und eine größere Stielklappe. Aus letzterer tritt unterhalb des Wirbels durch eine Öffnung ein fleischiger Stiel aus, mit dem sich das Tier am Boden festheftet. In der Armklappe befinden sich zwei kalkige Armgerüste, mit denen es bei geöffneter Schale Nahrung aufnimmt.

Aber auch der innere Körperbau beider Tiergruppen unterscheidet sich stark, so dass Muscheln und Brachiopoden nicht einmal entfernt miteinander verwandt sind: Muscheln zählen wie die Schnecken zu den Weichtieren (Mollusken), Brachiopoden dagegen bilden einen eigenen Stamm im Tierreich.

Auch bei den Funden vom Zuckerberg kommen Brachiopoden arten- und individuenreich vor (siehe Tabelle 1). Zahlenmäßig überwiegt die Gattung Retichonetes (Abb. 5b), die im Feinsandstein z. T. Schilllagen bildet. Retichonetes und Verwandte gehören zum ökologischen Grundtyp der freiliegenden Brachiopoden, das heißt: Bei diesen Formen erfolgte keine Fixierung am Meeresboden mittels eines Stiels, vielmehr erhielten Chonetiden ihre Stabilität durch relativ lange Stacheln am Schlossrand, mit denen sie dem Sediment auflagen. Zusätzlich geschützt und damit auch stabilisiert waren sie durch die halb eingegrabene Lage ihres Gehäuses im Sediment.

Einige Brachiopoden-Gruppen stellen wichtige Leitfossilien im Mitteldevon dar, die bei genauer Bestimmung Rückschlüsse auf das genaue Alter zulassen. Einige kommen auch am Zuckerberg vor; allerdings ist die vorliegende Steinkernerhaltung meist nicht ausreichend, um feinstratigraphische Aussagen treffen zu können (siehe oben: Kap. „Die Schichtfolge" und Anm.2).

Häufig in der Honsel-Formation vorkommende Brachiopoden gehören zur Ordnung Spiriferida, deren Vertreter ein spiralig aufgerolltes Armgerüst besitzen. Eine charakteristische Form aus dieser Ordnung ist Spinocyrtia (Carpinaria) ascendens (Abb. 5c). Ebenfalls zur Ordnung Spiriferida (Unterordnung Atrypidina) gehören zahlreiche mitteldevonische Gattungen. Am Zuckerberg treten insbesondere Formen aus der Spinatrypa aspera-Gruppe auf, die durch ihre berippte, schuppig gefaltete und bestachelte Schale auffallen (Abb. 5f).

    

 

 

 


Abb. 5: Brachiopoden. 
a. Lingula sp. aff. brevis Fuchs in Spriestersbach & Fuchs 1909,
Länge: 16 mm. 
b. Retichonetes crenulatus (F. Roemer 1844), Schilllage, Bildbreite: 45 mm.

     
 
   






c. Spinocyrtia (Carpinaria) ascendens (Spriestersbach 1935), Breite: 24 mm.
d. Stringocephalus (Stringocephalus) sp. (Steinkern der Armklappe), Breite 25 mm.

 

 





e. Athyris sp., Breite: 16 mm. 
f. Spinatrypa aspera (Schlotheim 1813), Breite: 25 mm.

Ringelwürmer
Reste von Ringelwürmern (Anneliden), zu denen auch der Regenwurm zählt, sind recht selten. Gelegentlich findet man auf Schalen von Meerestieren nur wenige Millimeter große planspiral aufgewundene Röhren, die einem schneckenartigen Gehäuse gleichen. Die Bildungen stammen von Ringelwürmern der Gattung Spirorbis (Abb. 6). Diese Gattung ist seit dem Ordovizium nachgewiesen und existiert heute noch. Häufiger sind auch Schalen von Brachiopoden oder Muscheln von zylindrischen Bohrgängen durchzogen, die sich insbesondere als Abdruck auf Steinkernen finden und ebenfalls auf Ringelwürmer zurückgeführt werden.










Abb. 6: Eingerollte Wurmgehäuse der Gattung Spirorbis,
aufgewachsen auf einer Muschelschale, Durchmesser des
größten Exemplars: 5 mm.

Schnecken
Schnecken (Gastropoden) existieren zwar seit dem frühen Erdaltertum und treten bereits im Kambrium auf. Sie bleiben jedoch zunächst stammesgeschichtlich, wie die Muscheln auch, von geringer Bedeutung. Erst mit dem Erdmittelalter werden die Schnecken häufiger, auch die Formenvielfalt und Mannigfaltigkeit der Verzierungen nimmt zu. In der Tertiärzeit erleben sie das Maximum ihrer Entwicklung und überflügeln die Muscheln an Häufigkeit.

Im sandig-tonigen Mitteldevon gehören Schnecken zu den seltenen Funden; und so konnten am Zuckerberg auch nur zwei Formen eindeutig nachgewiesen werden: Die Gattung Straparollus (Abb. 7a) mit planspiralem Gehäuse, bei dem die Mittellinie aller Windungen in einer Ebene liegt, und die Gattung Loxonema (Abb. 7b) mit trochispiral gewundenem Gehäuse. Bei dieser Form legen sich die Windungen von der Spitze an spiralartig aneinander und werden von Umgang zu Umgang stetig breiter.

   












Abb. 7: Steinkerne von Schnecken. 
a. Straparollus sp., Durchmesser des Gehäuses: 8 mm. 
b. Loxonema sp., Höhe: 7 mm.

Muscheln
Wie die Schnecken so haben auch die Muscheln in den Meeren des Erdaltertums im Vergleich zu den Meeren der Neuzeit eine nur untergeordnete Bedeutung. Dennoch sind sie auch in früher Zeit bereits formenreich vertreten. Bei aller Formenfülle stellen sie jedoch im Vergleich zu anderen Fossilgruppen nur wenige Leitfossilien. Dies liegt u.a. auch an ihrer Faziesabhängigkeit. Aber gerade diese für die Biostratigraphie ungünstige Eigenschaft macht die Muscheln besonders wertvoll für die Ausdeutung des Lebensraumes. Zum Beispiel unter lagunären Bedingungen, in Nähe des Festlandes und in Deltabereichen kamen sie häufiger vor, so auch in den Flachwasserablagerungen der Honsel-Formation.

Am Zuckerberg findet sich im Feinsandstein die Art Leptodesma wupperana (Abb. 8c) teilweise sogar in Anhäufungen, während die großen Exemplare von Ptychopteria (Actinopteria) reticulata (Abb. 8a) und Allorisma sp. aff. westfalica (Abb.8b) eher selten und vereinzelt zu finden sind.

     
         

Abb. 8: Muscheln. 
a. Ptychopteria (Actinopteria) reticulata (Goldfuss), Bildbreite: 65 mm.
b. Allorisma sp. aff. westfalica (Spriestersbach 1917), Bildbreite: 35 mm. 
c. Leptodesma wupperana Herm. Schmidt 1909. 
d. Sphenotus sp. (beide Klappen erhalten), Bildbreite: 25 mm.

Cephalopoden
Eine Tiergruppe, der seit dem Devon besondere Bedeutung zukommt, sind die Cephalopoden (Kopffüßer), die nicht nur die höchstentwickelten Weichtiere (Mollusken) sind, sondern auch die größten bekannten Tierformen unter den Wirbellosen.

Der einzige heute noch lebende Kopffüßer mit Außengehäuse ist der in südostasiatisch/australischen Meeren vorkommende Nautilus; andere rezente Formen wie Kraken und Kalmare besitzen kein Außengehäuse, sondern lediglich eine hornartige Platte unter dem Mantel. Die bekanntesten fossilen Cephalopoden sind die aus der Jura- und Kreidezeit stammenden Ammoniten.

Die häufigsten Cephalopoden im Mitteldevon sind gestreckte oder leicht gekrümmte Nautiliden, am bekanntesten die schlank zylindrischen Orthoceren.

Bei den am Zuckerberg entdeckten Nautiliden handelt es sich um die Gattungen „Orthoceras" (gestreckt), Rutoceras (leicht gekrümmt) und „Gomphoceras" (birnenförmig), die alle aber nur fragmentarisch erhalten sind.

   
























Abb. 9: Bruchstücke von Nautiliden. 
a. Rutoceras sp., Länge: 20 mm. 
b. „Orthoceras" sp., Länge: 10 mm.

Hyolithen
Bei den Hyolithen handelt es sich um Organismen mit spitz-konischem Gehäuse, die nur im Kambrium und Ordovizium häufiger, sonst aber recht selten sind und nur mit etwa 20 Gattungen nachgewiesen wurden. Sie traten im Kambrium auf und starben im Perm wieder aus. Da man sehr wenig über ihren inneren Körperbau weiß und ihre Lebensweise nicht kennt, ist ihre systematische Stellung im Tierreich nicht eindeutig geklärt. Die Zugehörigkeit zu den Mollusken lässt sich von der Schalenstruktur und von der gelegentlich beobachteten Kammerung her aber annehmen.

Die im Steinbruch Zuckerberg geborgenen Exemplare haben große Ähnlichkeit mit der von Spriestersbach (1942: 147 und Taf. 1) aus dem Unteren Mitteldevon beschriebenen und abgebildeten Gattung Theca. Es handelt sich um Steinkerne, die völlig glatt sind und keine Skulptur oder Anwachsstreifen erkennen lassen.

   













Abb. 10: Hyolithen. 
a.-b. Unvollständig erhaltene Exemplare
(Steinkerne) der Gattung "Theca", Höhe: 14 mm.

Tentaculiten
Die Tentaculiten sind eine bereits im Oberdevon weitgehend erloschene Tiergruppe. Ihre systematische Stellung ließ sich erst vor einigen Jahren einigermaßen absichern, nachdem man erhaltene Weichkörperreste mit Hilfe von Röntgenstrahlen untersuchen konnte. Danach werden sie als eigene Klasse zu den Weichtieren (Mollusken) gewertet, die insbesondere den Kopffüßern (Cephalopoden) nahe steht.

Mit ihren millimetergroßen spitzkegelförmigen Gehäusen schwammen sie in teilweise großen Schwärmen im Meer. Häufig findet man sie durch die Strömungsrichtung eingeregelt im Gestein.

In den Schichten vom Zuckerberg konnte allerdings nur sehr wenige Exemplare entdeckt werden.

Seelilien
Die heute noch vorkommenden Seelilien (Crinoiden) gehören zusammen mit Seeigeln, Seesternen und anderen zum formenreichen Stamm der Stachelhäuter. Seelilien besitzen einen Stiel, mit dem sie im Boden verankert sind. Darauf befindet sich ein Kelch mit Armen, mit denen Nahrung eingestrudelt wird. Kelch und Arme bilden die „Krone". Nach dem Absterben des Tieres zerfällt meist dieses Skelett, weshalb komplette Kronen oder Kelche fossil nur selten entdeckt werden können. Meist findet man isolierte Glieder, die den langen Stiel aufbauten (Abb. 11).

In flachen Meeren bildeten Seelilien ausgedehnte „Wälder". Seelilien lassen sich aber in vielen Ablagerungen des devonischen Schelfmeeres auffinden, da insbesondere die Stielglieder sehr leicht und weit verdriftet wurden. So kommen auch am Zuckerberg Stielglieder von kleinwüchsigen Exemplaren in zum Teil zusammengeschwemmten Lagen im groben Sandstein vor.

Abb. 11: Seelilien-Stielglieder; Bildbreite: 30 mm.

Ostracoden
Ostracoden (Muschelkrebse) werden meist als eine eigene Tierklasse innerhalb der Krebstiere (Crustacea) angesehen. Sie besitzen eine zweiklappige, kalkige und meist asymmetrische Schale. Die Tiere sind sehr klein, nur etwa 0,5 bis 5,0 mm lang. Einige „Riesenformen" aus dem Silur bringen es aber auf bis zu 3 cm Länge. Auf den ersten, oberflächlichen Blick erinnert die Schale an eine winzige Muschel, was den Tieren ihren deutschen Namen eingebracht hat. Dies gilt insbesondere für glattschalige Formen; oftmals tragen Ostrakoden-Klappen aber auch auffällige und kennzeichnende Verzierungen.

Die Ostracoden wurzeln im Kambrium und reichen bis in die Gegenwart, in der sie das Maximum ihrer Formenvielfalt haben. Ursprünglich kamen sie nur im Meer vor, seit Ende des Devon aber auch in Süßwasserbereichen. Sie leben sowohl freischwimmend als auch bodenbewohnend.

In den Schichten am Zuckerberg konnten nur wenige Exemplare gefunden werden. Während die Stücke aus dem groben Sandstein wegen schlechter Erhaltung unbestimmbar sind, handelt es sich einem Exemplar aus dem Riffkalk um die Gattung Bairdiocypris. Diese kommt in den Schichten des Oberen Mitteldevon nur vereinzelt vor und gehört zu den glattschaligen Formen, die typisch sind für den lagunären Ablagerungsraum der Honsel-Formation.

   


Abb. 12: Ostracode Bairdiocypris sp., 
Länge: 2 mm. 
a. Foto.
b. Seitenansicht der rechten Klappe (Zeichnung).

Trilobiten
Wie die Ostracoden, gehören die im Kambrium auftretenden und am Ende des Erdaltertums (Perm) aussterbenden Trilobiten zum Stamm der Gliederfüßer (Arthropoden). Mit den Krebsen aber sind sie nicht näher verwandt, wenn auch als deutsche Bezeichnung gelegentlich der Name „Dreilappkrebs" verwendet wird. Das Wort „Trilobit" bedeutet soviel wie „Dreilapper". Namengebend ist nämlich die auffällig dreiteilige Längs- und Quergliederung des Rückenpanzers: Von vorn nach hinten besteht der Panzer aus Kopfschild (Cephalon), Rumpf (Thorax) und Schwanzschild (Pygidium). In der Querrichtung lassen sich die Mittelachse oder Spindel (Rhachis) und die Seitenfelder (Pleuralfelder) unterscheiden. Der Kopfschild ist durch die beiden Gesichtsnähte (Facial-Suturen) nochmals in drei Felder unterteilt: An den Mittelkopf (Cranidium) mit Glabella und rechter wie linker Festwange schließen sich links und rechts die Freiwangen mit Auge und gegebenenfalls Wangenstacheln an.
Hinzu kommt von der Kopf-Unterseite als erhaltungsfähiges Hartteil der Mundschild (Hypostom).

Da der Panzer nicht mit dem Weichkörper des Tieres mitwachsen konnte, musste es sich mehrfach (bis zu 30 mal) in seinem Leben häuten. Solche Häutungsreste, meist verdriftete Panzerteile, sind daher viel häufiger zu entdecken als vollständige Panzer gestorbener Tiere.

So findet man am Zuckerberg von der einzigen vorkommenden Art Dechenella burmeisteri auch nur Panzerteile: meist Pygidien (Abb. 13c), seltener Cranidien (Abb. 13d) und Freiwangen (Abb. 13e). Manchmal findet man auf einer Platte mehrere Panzerteile: So liegt ein Stück vor mit Cranidium, Freiwange und Hypostom. Das Exemplar (Abb. 13a), bestehend aus Pygidium und Thorax im Zusammenhang (Thoracopygidium) gehört bei der Gattung Dechenella durchaus zu den seltenen Funden.

Trilobiten haben im Laufe ihrer Entwicklung zahlreiche Leitfossilien hervorgebracht. Auch Dechenella burmeisteri gehört dazu; die Art kommt zwar gelegentlich an wenigen Fundorten in den obersten Schichten der Unterhonsel-Formation vor, sonst aber zahlreich nur in der Oberhonsel-Formation. Am Zuckerberg gehören Panzerteile von Dechenella burmeisteri zu den häufigen Funden. 

   












Abb. 13: Trilobiten. 
a. Thorax und Pygidium eines ausgewachsenen Exemplars von Dechenella burmeisteri Rud. Richter 1909; 
Länge: 30 mm. 

b. Rekonstruktionszeichnung eines kompletten Dechenellen-Panzers. 

     



c.-e. Panzerteile von Dechenella burmeisteri Rud. Richter 1909 (Jugendexemlare). 

c. Pygidium, Breite:10 mm. 
d. Freiwange mit Auge und Wangenstachel, Bildhöhe: 20 mm. 
e. Cranidium (Mittelkopf), Bildhöhe:10 mm.

Ichnofossilien
Bei einigen der vorkommenden Fossilien handelt es sich nicht um Reste der Tiere selbst, sondern um Überbleibsel ihrer Lebenstätigkeit (= Ichnofossilien), die bestimmte Organismen beim Graben im Sediment, auf Schalen anderer Tiere, in Pflanzenresten, bei der Nahrungsaufnahme oder als Kot- oder Eiablage hinterlassen haben. Meist sind die Erzeuger solcher Spuren unbekannt, werden auch möglicherweise nie gefunden werden, da sie keine erhaltungsfähigen Hartteile besitzen.

Hauptsächlich kommen im groben Sandstein am Zuckerberg verzweigte Gänge (Fressbauten) der Gattung Chondrites vor; möglicherweise wurden diese Spuren von wurmartigen Lebewesen verursacht, die als Sedimentfresser das Sediment nach Nahrung durchpflügten. Ihre Tunnelsysteme durchlaufen das Sediment zunächst quer zur Schichtung; erst die Gangenden liegen dann parallel zur Schichtung. Der Durchmesser der Röhren beträgt meist 0,5 mm, vereinzelt aber auch 5 mm (Abb. 14).










Abb. 14: Chondrites sp. (Grabgänge).  
a. Bildbreite: 60 mm.
b. Bildbreite: 80 mm.

Problematica
Als Problematica werden solche Fossilien bezeichnet, die über keine Merkmale verfügen, nach denen sie einer bestehenden Tier- oder Pflanzengruppe eindeutig zuzuordnen sind. So kommen auch am Zuckerberg Abdrücke mit schalenartigem Aussehen vor, die zwar Muschel- oder Brachiopodenklappen ähnlich sehen, doch andere Symmetrieverhältnisse besitzen. Hierbei könnte es sich um Phyllocariden-Panzer handeln (Abb. 15). Diese auch als Blattkrebse bezeichnete Gruppe der Höheren Krebse (Malacostraca) besitzt einen zweiklappigen Carapax, der den Körper seitlich schützt. Phyllocariden-Funde bestehen meist aus solchen isolierten Klappen, seltener aus Teilen des Körpers (Thorax-Segmente oder Teile des Abdomens); allerdings fehlen bei den am Zuckerberg entdeckten Stücken wichtige Merkmale, die eine klare Zuordnung zu dieser Gruppe ermöglichen würde. Erst weitere besser erhaltene Funde könnten zur Klärung des Problems beitragen.











Abb. 15: ?Phyllocariden-Panzer indet., Breite: 20 mm.

Problematisch sind auch Strukturen in einem Holzrest (Abb. 16), die vorläufig als Fraßspuren gedeutet werden. Da das Stück keine 2 cm groß ist, sind die Spuren sehr filigran. Sie sind sowohl in der Negativ- als auch in der Positivplatte negativ erhalten.

Allerdings wäre auch denkbar, dass es sich um Bryozoen-Aufwuchs handelt, insbesondere aufgrund der kolonieartigen Organisation. Die härteren Strukturen der Bryozoen-Kolonie (die dann später weggelöst wurden) könnten sich infolge des bei der Diagenese entstehenden Druckes von außen negativ in die weiche Pflanzensubstanz durchgeprägt haben.



















Abb. 16: ?Spuren in einem Holzrest,
Bildhöhe 14 mm.



Abbildungen

Abgebildete Fossilien: Sammlungen L. Koch (29), U. Lemke (5), Arbeitskreis Kluterthöhle (1)
Fotos: L. Koch (43), U. Lemke (2)


Abkürzungen

aff. (lat. affinis) angrenzend; Zeichen der offenen Namengebung: „aus der Verwandtschaft von".

indet. (lat. indeterminabel) unbestimmt, unbestimmbar; hinter einem Ordnungs- oder Familienname: nicht bis zur Gattung und Art zu bestimmen.

sp. (lat. species) Art; nach einem Gattungsnamen: die Art ist nicht zu bestimmen.

? Ein Fragezeichen vor einem Begriff zeigt an, dass gewisse Zweifel an der Richtigkeit bestehen.

"....." Ein Gattungsname in Anführungszeichen gibt an, dass es sich um eine ältere Sammelgattung handelt, eine Zuordnung zu neu aufgestellten Gattungen aber nicht möglich ist.


Anmerkungen
1
Die projektierte Bundesstraße 7e war als Entlastungsstraße zur B7 zwischen Schwelm und Ennepetal geplant, kam aber nicht zur Ausführung. Das Erdbaulaboratorium Ahlenberg, Herdecke, führte im Auftrag des Landesbetriebs Straßenbau NRW, Bochum, Anfang 1996 am Fuße des Zuckerberges mehrere Kernbohrungen zur Analyse des Untergrundes bis zu einer Teufe von ca. 20 m durch.  

2 Messtischblatt 1:25.000 Barmen; Koordinaten: r2592625, h5685275.

3 Die vorkommenden Exemplare von Spinatrypa lassen sich lediglich in der Sammelart aspera (Schlotheim 1813) zusammenfassen, während in der Kluterthöhle die Art Spinatrypa orthoclina Copper 1967 gefunden wurde und die Einstufung der Schichten in die Oberhonsel-Formation belegt (vgl. Koch 1992: 29: Abb. u.l.).

4 Conodonten sind zahnartige, lamellar aufgebaute Mikrofossilien aus Calciumphosphat. Sie erreichen Größen bis zu 3 mm und haben ein hohes spezifisches Gewicht (2,84). Sie gehören als bevorzugt erhaltungsfähige Hartsubstanzen, als Skelett-Elemente zu einer ausgestorbenen ursprünglichen marinen Wirbeltiergruppe.
Conodonten finden sich in Sedimentgesteinen vom jüngsten Präkambrium bis in die Trias. Sie gehören zu den wichtigsten Zeitmarken, mit denen Sedimente diesen Alters in der Praxis datiert werden. Aus Kalksteinen des Devon können Conodonten mittels Essigsäure herausgelöst werden. An den isolierten Conodonten werden Bestimmungen und, daraus resultierend, genaue Altersdatierungen durchgeführt.

5 Kernbohrung des Erdbaulaboratoriums Ahlenberg (s. Anm. 1);  r2592527, h5685433.


Literatur
Çinar, C. (1978): Marine Flachwasserfazies in den Honseler Schichten (Givet-Stufe, Lüdenscheider Mulde, Rechtsrheinisches Schiefergebirge). –  Göttinger Arbeiten für Geologie und Paläontologie, 20: 1-77, Abb.1- 28, Profile 1-4, Taf. 1-11; Göttingen.

Fuchs, A.  & Paeckelmann, W. (1979): Geologische Karte von Nordrhein-Westfalen 1: 25000, Erläuterungen zu Blatt 4709 Wuppertal-Barmen, 2. Aufl.: I-VII und 1-96, 7 Abb., 1 Tab., 1 Taf.; Krefeld.

Koch, L. (1992): 380 Millionen Jahre Erdgeschichte. Der Klutertberg und seine geologische Entwicklung.    in: Koch, L. (Hg.): Das Klutert-Buch: 10-35, 36 Abb.; Hagen (v. d. Linnepe).

Langenstrassen, F. (1982): Sedimentologische und biofazielle Untersuchungen an Proben aus der Bohrung Schwarzbachtal 1 (Rheinisches Schiefergebirge, Velberter Sattel). – Senckenbergiana lethaea, 63 (1/4): 315-333, Abb. 1-2, Taf. 1-2; Frankfurt am Main.

May, A. (1986): Biostratigraphische Untersuchungen im Mittel-Devon des Nordwest-Sauerlandes  (Rheinisches Schiefergebirge). –  Dortmunder Beiträge zur Landeskunde, naturwissenschaftliche Mitteilungen, 20: 23-55, Abb. 1-2, Tab. 1-2; Dortmund.

Spriestersbach, J. (1942): Lenneschiefer (Stratigraphie, Fazies und Fauna). –  Abhandlungen des Reichsamts für Bodenforschung, Neue Folge, 203: 218 S., 19 Abb., 11 Taf.; Berlin.

Weddige, K. [Hg.] (1996): Devon-Korrelationstabelle. –  Senckenbergiana lethaea, 76 (1/2): 267-286, Abb. 1-7, 43 Tab.-Spalten; Frankfurt am Main.

 


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