aus: Neues
Jahrbuch für Geologie und Paläontologie, Monatshefte, 2003(7): 415-427; Stuttgart,
Juli 2003
(verändert)
Suttropcarididae n. fam. (Phyllocarida, Crustacea) aus dem Ober-Devon des Sauerlandes (Rheinisches Schiefergebirge, Deutschland)
Suttropcarididae n. fam. (Phyllocarida, Crustacea) from the Upper Devonian of the Sauerland (Rhenish Massif, Germany)
Von Lutz Koch, Ennepetal, Elke Gröning und Carsten Brauckmann, Clausthal-Zellerfeld
Abstract: From the late Famennian (UD IV, Hembergian, Platyclymenia annulata beds) of the northern Sauerland phyllocarids are described and figured. The specimens (isolated carapaces and abdominal somites in natural connection) represent a new genus and species, Suttropcaris bottkei. The combination of particular morphological characters (e.g. large and smooth carapace, concave anterior and posterior margins, lack of a rostral plate, anterodorsal horn of carapace, convex ventral and dorsal margins, short abdominal segments, short pretelson, and short furcal rami; the last three characters regarded as autapomorphic) indicates that Suttropcaris lies outside both the Ceratiocarididae and the Rhinocarididae and may form the basis of a new taxonomic unit, the Suttropcarididae n. fam.
Zusammenfassung: Aus
dem höheren Famennium (OD IV, Hembergium, Zone mit Platyclymenia annulata)
des nördlichen Sauerlandes werden
Reste von Phyllocariden beschrieben und abgebildet. Die Funde (isolierte
Carapaces und zusammenhängende Abdominal-Segmente) stellen eine neue Gattung
und Art dar, Suttropcaris bottkei. Die neue Gattung verfügt über Merkmale, die in dieser
Kombination sowohl außerhalb der Ceratiocarididae als auch der Rhinocarididae
liegen. Im einzelnen sind dies: großer, glatter Carapax mit konkavem Vorder-
und Hinterrand sowie konvexer Ventral- und Dorsal-Seite, Dorsal-Seite zu einem
Carapax-Horn ausgezogen, kurze Abdominal-Segmente von etwa gleicher Länge,
kurzes Prätelson und kurze Furkal-Äste (von denen die letzten drei Merkmale
hier als autapomorph angesehen werden). Suttropcaris wird daher als
Typus-Gattung einer neuen taxonomischen Einheit, der Suttropcarididae n. fam.,
aufgefasst.
Einleitung
Bei einer solchen Armut an Phyllocariden-Nachweisen erscheinen die in dieser Arbeit beschriebenen Funde als besonders bedeutend.
Bei dem Material handelt es sich um drei Panzer-Reste und ein Stück mit zusammenhängenden Abdominal-Segmenten. Es stammt aus dem Steinbruch Kattensiepen (Clausen & Leuteritz, 1979: 261; 1984: 36, Abb. 3; Korn, 2002), an der Straße zwischen Suttrop und Rüthen gelegen (Blatt 4516 Warstein). In diesem Aufschluss (Zentraler R/H-Wert: R 57 930, H 03 680) ist ein weitgespannter, asymmetrisch gebauter Sattel in Kalkknoten-Schiefern und Knollen-Kalksteinen des Ober-Devon (Nehden bis Wocklum) aufgeschlossen. Der annulata-Horizont ist als 25-30 cm mächtiges Schwarzschieferband eingelagert; die darin enthaltenen bituminösen Kalkstein-Knollen lieferten zahlreiche Ammonoideen wie auch die hier beschriebenen Phyllocariden-Reste. Eine detaillierte Darstellung des Aufschlusses sowie eine Bearbeitung der Ammonoideen-Fauna liefert Korn (2002), worauf wir hier verweisen.
Abkürzungen: SMNS = Staatliches Museum für Naturkunde Stuttgart.
Systematik
Stamm | Arthropoda Siebold & Stannius 1845 |
Klasse | Crustacea Pennant 1777 |
Unterklasse | Malacostraca Latreille 1806 |
Infraklasse | Phyllocarida Packard 1879 |
Ordnung | Achaeostraca Claus 1888 |
Familie | Suttropcarididae n. fam. |
Diagnose: Carapax groß, Oberfläche glatt, Vorder- und Hinterrand konkav, Ventral- und Dorsal-Seite konvex, Rand schmal; Dorsal-Seite zu einem Carapax-Horn ausgezogen, Abdominal-Segmente von etwa gleicher Länge, mit fein gekörnelter Oberfläche, Prätelson nicht verlängert, Furkal-Äste relativ kurz, Telson-Kopf verdickt.
Beziehungen: Die Suttropcarididae
n. fam. unterscheiden sich von den Ceratiocarididae durch (a) ihren konkaven
Vorderrand des Panzers, (b) das Carapax-Horn anstelle einer Rostral-Platte, (c)
einen Grat, parallel zum Ventral-Rand verlaufend, (c) kurze Abdominal-Segmente
und kurzes Prätelson, (d) kurze Furkal-Äste.
Sie differieren von den
Rhinocarididae durch (a) die Form des Panzers mit Einbuchtungen am Vorder- und
Hinterrand, (b) die fehlende Rostral-Platte, (c) die fehlende Median-Carina und
(d) die kurzen Abdominal-Segmente.
Bemerkung: Es wird hier weitgehend dem systematischen Konzept von Racheboeuf (1994) gefolgt. Jedoch auch die kürzlich in der von Rode & Lieberman (2002) vorgelegten phylogenetischen und biogeographischen Analyse devonischer Phyllocariden gemachten Aussagen zur Klassifikation und Systematik sowie die z.T. emendierten Familien-Diagnosen stehen den obigen Feststellungen nicht entgegen.
Stratigraphische Verbreitung: Ober-Devon (Famennium).
Gattung Suttropcaris n. g.
Derivatio nominis: Nach Suttrop,
einer Ortschaft nahe des Fundortes Kattensiepen.
Typus-Art (hiermit): Suttropcaris bottkei n. g., n. sp.
Diagnose: wie Familien-Diagnose.
Zugehörige Arten: Bisher nur die Typus-Art Suttropcaris bottkei
n. sp.
Beziehungen: Hier gelten
grundsätzlich die gleichen Beziehungen wie bei der Differentialdiagnose zur
Abgrenzung der neuen Familie. Ein Vergleich mit Gattungen, die ebenfalls über
einen großen und ähnlich strukturierten Panzer verfügen, zeigt ebenfalls
erhebliche Unterschiede zu Suttropcaris n. g. Typische Ceratiocarididae
wie Ceratiocaris, Warneticaris, Schugurocaris und Heroldina
(siehe Rolfe 1969: Abb. 136, 139, 144; Bergström et al. 1989: Abb. 1; Chlupač
1994: 14, Tab. 2; Racheboeuf 1994: 286, Abb. 3) besitzen wie auch vergleichbare
Rhinocarididae (z. B. Dilophaspis, siehe Brauckmann et al. 2002: Abb. 6; Rhinocaris,
siehe Rode & Lieberman 2002: Abb. 5,1) einen abweichenden Carapax-Umriss,
eine Rostral-Platte, lange, rutenartige Furkal-Äste sowie ein meist stark
verlängertes letztes Abdominal-Segment. Dilophaspis verfügt zudem über
eine markante Median-Carina. Darüber hinaus sind diese Gattungen
stratigraphisch beschränkt auf Ordovizium bis Unter-Devon bzw. nur auf das
Unter-Devon (Dilophaspis).
Auch die bisher im Ober-Devon
nachgewiesenen Gattungen wie Tropidocaris (siehe Racheboeuf 1994: Taf.
VI; Rode & Lieberman 2002: Abb. 7,1), Montecaris (siehe Jux 1960:
Abb. 6; Chlupač 1960: Taf. 2; Butler 1995), Dithyrocaris (Racheboeuf
1998: Taf. 2), Schugurocaris (siehe Butler 1995) und Concavicaris
(Chlupač 1963: Taf. 12, Fig. 1-5; Briggs & Rolfe 1983: Abb. 2-3, 6)
sind schon im Bau des Panzer so stark von Suttropcaris n. g. abweichend,
dass hier auf eine Aufzählung der charakteristischen Merkmale verzichtet werden
kann.
Stratigraphische und geographische Verbreitung: Ober-Devon (Hembergium, Zone mit Platyclymenia annulata) / Deutschland (nördl. Sauerland, Rheinisches Schiefergebirge).
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Suttropcaris bottkei n. g., n. sp.; Rekonstruktion, Seiten-Ansicht, etwa natürliche
Größe. Die Anzahl der freien, nicht vom Carapax bedeckten
Abdominal-Segmente ist geschätzt unter der Annahme, daß auch die
vorderen Abdominal-Segmente relativ kurz waren. Suttropcaris bottkei n. g., n. sp.; reconstruction, lateral view, approximately natural size. The number of free abdominal segments not covered by the carapace is approximately estimated on the assumption of likewise relatively short anterior abdominal segments. |
Suttropcaris bottkei n. sp. (Abb. 1-4)
Derivatio nominis: Nach Prof. Dr.
Werner Bottke, Münster, dem Finder der Stücke.
Holotypus: Das in Abb. 1A und B abgebildete Exemplar, Positiv-Platte (SMNS
64676a) und Negativ-Platte (SMNS 64676b).
Paratypen: Das in Abb. 2A und B abgebildete Exemplar, 1 fragmentarisch
erhaltener Carapax mit Abdomimal-Segmenten (SMNS 64677); 2 fragmentarisch
erhaltene Carapaces (SMNS 64678 und SMNS 64679).
Locus typicus / Stratum typicum: Steinbruch Kattensiepen, an der Straße zwischen
Suttrop und Rüthen gelegen, nördliches Rheinisches Schiefergebirge,
Deutschland (Blatt 4516 Warstein, R 57 930, H 03 680) / Ober-Devon IV (Hembergium,
annulata-Horizont).
Diagnose: Die vorerst einzige bekannte Art von Suttropcaris n. g. mit der
kennzeichnenden Merkmals-Kombination der Gattung (siehe Familien- und
Gattungs-Diagnose).
Morphologie.–
Erhaltung: Die
überlieferten Panzer zeigen nur teilweise die glatte Oberfläche, am besten der
Holotyp im vorderen Bereich; bei den übrigen Panzerteilen ist die Oberfläche
aufgelöst, so daß helle unregelmäßige Strukturen hervortreten, die zumindest
z. T. durch die Morphologie des inneren Körperbaus entstanden. Dabei könnte es
sich möglicherweise um Teile von Extremitäten (Abb. 3C) und Teile eines
Facetten-Auges handeln (Abb. 3B). Bei allen Stücken ist der Rand scharf
konturiert und tritt als ca. 0,5 mm breite, leicht erhabene helle Linie hervor.
Der Carapax-Umriß wird bis auf den Hinterrand, der nur schwach erkennbar ist,
als gestochen scharfe Zeichnung deutlich. Deutlich erhaben wird an der
Ventral-Seite ein subparalleler Grat im Abstand von ca. 4 mm sichtbar.
Von den erhaltenen etwa gleich
langen Segmenten des Paratypus (Expl. SMNS 64677) sind sechs gut sichtbar, ein
weiteres liegt unter einem Carapax-Bruchstück, dessen Umriss nur
andeutungsweise erkennbar ist. Zwei weitere etwas schmalere Thorax-Segmente, um
90° gedreht, sind zudem am linken Rand des Stückes bruchstückhaft erhalten.
Die Oberfläche aller Segmente ist fein granuliert, die Segmentgrenzen sind als
deutliche Vertiefungen sichtbar. Das letzte Abdominal-Segment ist im Vergleich
mit den anderen nicht länger, jedoch weniger breit, da es sich nach hinten
verjüngt. Der Telson-Kopf ist verdickt; das Telson selbst nicht erhalten. Von
den Furcal-Ästen ist etwa das erste Drittel (ca. 5 mm) nur im Umriss sehr
schwach sichtbar, Strukturen sind nicht erkennbar.
Im Gegensatz zu den anderen im
Gestein erhaltenen Fossilien (Clymenien und orthocone Cephalopoden), die
erheblich dunkler (fast schwarz) als die umgebende graue Matrix sind, sind
sämtliche Phyllocariden-Reste hellgrau.
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Suttropcaris bottkei n. g., n. sp. (Paratypus); Ober-Devon IV (Hembergium, Platyclymenia annulata-Horizont); Steinbruch Kattensiepen (bei Suttrop), nördliches Rheinisches Schiefergebirge, Deutschland. – Fragmentarische linke Klappe mit sechs gut erhaltenen Abdominal-Segmenten, Furcal-Ast schwach im Umriß sichtbar; Gesamt-Länge = 65,0 mm (SMNS 64677). Suttropcaris bottkei n. g., n. sp. (paratype); Upper Devon IV (Hembergian, Platyclymenia annulata horizon); Kattensiepen quarry (near Suttrop), northern Rhenish Massif, Germany. – Fragmentary left valve with six well preserved abdominal segments, furcal ramus visible in outline; length = 65.0 mm (SMNS 64677). |
Beschreibung (Ergänzungen zur Familien-Diagnose): Carapax im Umriß eiförmig mit halbrunden Einbuchtungen am Vorder- und Hinterrand, etwa 1,7x so lang wie größte dorsoventrale Breite, Oberfläche glatt, Dorsal-Seite konvex, mit schmalem Rand, anteroventrales Ende spitz, anterodorsales Ende zu einem markanten Carapax-Horn ausgezogen; Ventral-Seite mäßig konvex mit Randsaum und subparallelem Grat, vorn und hinten verlöschend; hinteres Ende konkav. -- Abdominal-Segmente von etwa gleicher Länge (Länge = ca. 5 mm, Breite des 2. Segmentes = 12 mm), letztes Segment nicht verlängert, sich jedoch nach hinten verjüngend, Oberfläche der Segmente fein gekörnelt, Furkal-Äste relativ kurz, Struktur nicht erhalten, Telson-Kopf verdickt, Telson erhaltungsbedingt nicht bekannt.
Maße (Holotyp, Expl. SMNS 64676b): Länge = 67,0 mm; größte dorsoventrale Breite = 39,0 mm; (Paratyp, Expl. SMNS 64677):erhaltene Länge: 65,0 mm.
Beziehungen: Suttropcaris bottkei n. g., n. sp. ist die typische und vorerst einzige Art dieser Gattung; für sie gelten daher die bei der Gattungs- (= Familien-Darstellung) aufgeführten Beziehungen (siehe oben).
Stratigraphische und
geographische Verbreitung: Ober-Devon (Hembergium, Zone mit Platyclymenia
annulata) / Deutschland (nördl. Sauerland, Rheinisches Schiefergebirge).
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